Holocaust Gedenktag

Am 27. Januar wird in Deutschland den Opfern des Nationalsozialismus gedacht. Dieses Datum wurde gewählt, weil am 27.01.1945 das Vernichtungslager Auschwitz befreit wurde. An diesem Tag wollen wir den Opfern des nationalsozialistischen Regimes gedenken. Wir erinnern uns an die sechs Millionen ermordeten europäischen Juden, die Sinti und Roma, die Zwangsarbeiter, die Kriegsgefangenen, die Opfer der staatlichen Euthanasie, die Homosexuellen und wir erinnern uns an alle, die aus politischen, religiösen oder menschlichen Gründen Widerstand leisteten und infolgedessen umgebracht wurden. Seit 2005 gilt der 27.01 als internationaler Holocaust-Gedenktag.

Unsere Schule nimmt diesen Gedenktag sehr ernst, da er eine zentrale Rolle in unserem Bildungsauftrag spielt. Wir möchten nicht nur erinnern, sondern auch aufklären. Auf dieser Seite finden Sie zahlreiche Quellen und Materialien, die von unseren Schülerinnen und Schülern erstellt wurden. Sie beschäftigen sich intensiv mit der Geschichte von Weyhe im Nationalsozialismus. Diese Dokumente und Berichte geben einen Einblick in die lokale Geschichte und zeigen, wie tiefgreifend die Verbrechen des NS-Regimes auch unsere Region betroffen haben.

Unser Ziel ist es, durch diese Gedenkarbeit und die Vermittlung historischer Fakten eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schlagen. Wir wollen unsere Schülerinnen und Schüler dazu ermutigen, aus der Geschichte zu lernen und sich aktiv für eine friedliche und tolerante Gesellschaft einzusetzen.

Wir laden Sie herzlich ein, die von unseren Schülerinnen und Schülern erstellten Materialien zu erkunden und sich über unsere Aktivitäten zum Holocaust Gedenktag zu informieren. Lassen Sie uns gemeinsam die Erinnerung wachhalten und dafür sorgen, dass solche Verbrechen niemals wieder geschehen können.

Ein besonderes Augenmerk legen wir auf Esther Bejarano, die Namensgeberin unserer Schule. Als Überlebende des Konzentrationslagers Auschwitz und als engagierte Zeitzeugin hat sie unermüdlich gegen das Vergessen gekämpft und sich für eine gerechtere Welt eingesetzt. Ihre Lebensgeschichte und ihr Engagement sind uns ein großes Vorbild und ein Auftrag zugleich. Bald werden wir auf dieser Seite auch detaillierte Informationen zu ihrem Leben und Wirken bereitstellen.

2022 haben wir eine selbst gestaltetet Ausstellung in unserem kleinen Forum zum Thema „Erinnerungen an Menschen aus Weyhe“ organisiert. Der Informatikkurs aus dem 13. Jahrgang hat diese Ausstellung für uns alle digitalisiert

– schauen Sie selbst ….

Die Lage der Zwangsarbeiter*innen Weyhe

Durch einen der größten Güterbahnhöfe Norddeutschlands im Jahre 1915 und in den folgenden Jahren, war die benötigte Arbeitskraft hier, an einem für die Logistik des Krieges derart wichtigen Ort und auch auf vielen kleinen Höfen oder in umliegenden Betrieben, sehr groß. Dies wurde im Verlauf des Krieges auch durch den Einzug vieler Soldaten und auch jungen Frauen für die Industrie nicht weniger. Die Lebensbedingungen in den Lagern waren dabei wie im restlichen Land schlecht, besser war es wenn überhaupt auf Höfen, wo nur einzelne Arbeiter*innen gefangen gehalten wurden. Dies kam aber oft auf die Familie und die Gesinnung dieser an. Wie auf der Karte oben zu sehen ist, stand die Mehrzahl an größeren Lagern in Weyhe in direktem Zusammenhang zur Eisenbahn, weshalb der größte Teil auch nahe an den Schienen lag. Die Behausungen waren meist ungeheizte, einfachste Baracken. Zudem durften Ostarbeiter*innen ab 1943 beispielsweise nicht in den Krankenhäusern entbinden, sondern wurden in Krankenhausbaracken unter schlimmsten Lebensbedingungen untergebracht. Außerdem spielten sich durch das frühe Trennen der Mütter von ihren Kindern tragische Szenen ab. Auch im Umland und auf privaten Höfen gab es Zwangsarbeit. Diese Arbeiter*innen, meist Ostarbeiter*innen, wurden von der DAF (Deutsche Arbeiterfront) und dem Arbeitsamt zugeteilt. Hier wurden meist Familien oder andere Personenkonstellationen auf verschiedene Höfe aufgeteilt, was nicht zuletzt die unmenschlichen Verhältnisse widerspiegelt, in denen Mütter von ihren Kindern oder Männern getrennt wurden.

„Kinderheime“
Um die „Arbeitsleistung“ der Mütter zu steigern, wurden die jungen Frauen schon früh von ihren Kindern getrennt. In sogenannten Kinderheimen kamen viele dieser Kinder in den Landkreisen Grafschaft Hoya und Grafschaft Diepholz unter. Die Bedingungen hier waren menschenunwürdig und vor allem für die Säuglinge lebens-bedrohlich. Besonders durch Unterernährung kamen viele dieser Kinder ums Leben. Ihr Tod wurde billigend in Kauf genommen, schließlich war den Säuglingen täglich doch nur 1,5l Vollmich und 1,5 Stück Zucker gewährt worden. Die Maßnahmen zielten explizit auf den Tod der Kinder ab und hatten oft leider genau dies zur Folge.

Otto Polack 

Kurz nach der Machtübernahme Hitlers im Frühjahr 1933 wurde Otto Polak geboren und in der evangelisch-lutherischen Kirche von Kirchweyhe getauft. Seit 1935 galt Otto Polak wegen der Rassengesetze des NS-Staates als „Volljude“, da sein Vater Carl Polak jüdische Eltern hatte. Seine Mutter Johanne geb. Jacobsohn, welche christlich getauft worden war, galt als „Halbjüdin“ bzw. „Mischling ersten Grades“, denn ihr Vater Otto Jacobsohn war jüdischer Herkunft und ihre Mutter Hilka stammte aus einer nichtjüdischen Familie. Im Sommer 1938 trennten sich Ottos Eltern, weil sie sich nicht mehr gut verstanden. Der fünfjährige Otto und seine Mutter, die an Tuberkulose erkrankt war, zogen zu seiner Großmutter Hilka Jacobsohn. Sie war seit Jahren verwitwet und wohnte gleich um die Ecke, am Heidfeldweg. Ottos Vater verließ das gemeinsame Haus an der Lahauser Straße im Spätsommer 1938 und wohnte dann bei seiner Mutter in Bremen. Von dort wurden Carl Polak und seine Mutter Adele im November 1941 zusammen mit über 500 anderen jüdischen Menschen nach Minsk in Weißrussland deportiert. Dort verlieren sich ihre Spuren.
Seit dem 15. November 1938 wurde Juden der Besuch öffentlicher Schulen untersagt. Otto Polak ging deshalb von Ende 1939 bis November 1941 auf die jüdische Schule an der Kohlhökerstraße in Bremen. In den letzten Monaten seines Schulbesuchs wurde die berüchtigte Verordnung über die „Kennzeichnung der Juden“ erlassen. Otto durfte sich ab Mitte September 1941 nur noch mit einem gelben Stern, dem „Judenstern“, an seiner Kleidung in der Öffentlichkeit zeigen. „Auf jedem Pullover und auf jedem Hemd, das ich öffentlich trug, musste ich den Stern tragen. Ich durfte ihn nicht verstecken. Da konnte jeder sehen, wer ich war“, berichtet der damals Achtjährige. Er war der einzige Kirchweyher, der den diskriminierenden Aufnäher und wurde deshalb für viele Kinder und Erwachsene zur Zielscheibe. Damit begann für Otto, wie er sagt, “eine schlimme Zeit“. Wenn er sich auf den Weg zum Kirchweyher Bahnhof machte, um zur Schule zu fahren, wurde er „angepöbelt, zumeist von Erwachsenen“. In Bremen wurde Otto einmal „von mehreren Halbwüchsigen überfallen. Die hatten gesehen, dass ich den Stern trage, haben mich dann verprügelt auf dem Weg zur Schule. […] dann lag ich auch schon auf der Erde und habe geblutet“. Selbst vor der eigenen Haustür in Kirchweyhe war der Schüler nicht sicher. Ein Nachbarjunge, der von seinen Eltern „sehr beeinflusst wurde“, warf Otto einen Stein an den Kopf und verletzte ihn schwer. Die Wunde musste ärztlich behandelt werden. Aber es gab Menschen, die sich nicht von Otto und seiner Familie abwandten. Der Kirchweyher Arzt Dr. Folkard Willms gehörte zu ihnen. Er machte nach wie vor Hausbesuche bei den Jacobsohns. Wenn er Ottos Großmutter auf der Straße begegnete, begrüßte er sie mit „Guten Tag, Frau Jacobsohn“, und zwar so, dass andere Passanten es deutlich hören konnten. Auch die Nachbarin Dora Böttcher ließ sich nicht beirren. Sie „ist immer zu uns gekommen“, erzählt Otto Polak, „die anderen trauten sich nicht, weil sie Angst hatten“. „Mir können sie gar nichts wollen, wenn ich zu euch komme“, soll sie gesagt haben. Und ihre Tochter, erinnert sich Otto, „kam jedes Jahr zu meinem Geburtstag“.
Die wichtigsten Bezugspersonen für Otto waren seine Mutter und seine Großmutter Hilka, bei denen er Liebe und Geborgenheit suchte. Doch die Mutter war schwerkrank, sie litt seit Jahren an Tuberkulose. „Sie war zu Hause, dann wieder eine Zeit im Sanatorium“, berichtet Otto Polak. „Ich habe nie bei meiner Mutter auf dem Schoß sitzen dürfen. Meine Mutter sagte mir: ‚Du weißt, ich darf dich nicht drücken.‘ Das war eben eine ansteckende Krankheit …“ Der Gesundheitszustand seiner Mutter bedrückte den Jungen. Zugleich machte ihm der Unterricht in der jüdischen Schule zu schaffen. Mit dem Hebräischen kam er nicht zurecht: „Da hatte ich große Schwierigkeiten. Auch zu Hause konnte mir da nicht geholfen werden.“ Bei einem seiner Lehrer, bekam Otto Nachhilfestunden. „Da habe ich dann auch mal Mittag gegessen“ und „zum ersten Mal koscheres Essen bekommen“. Otto und seine Großmutter wussten wenig von der jüdischen Kultur. Die Oma erzog ihren christlich getauften Enkel nach den Grundsätzen des lutherischen Glaubens. In dieser Hinsicht wuchs er auf wie die meisten Kinder in Kirchweyhe. Irgendwann im November 1941 wurde den Jungen und Mädchen der jüdischen Schule mitgeteilt, dass demnächst ein Ausflug stattfinden würde. „Ich habe mich richtig darauf gefreut“, erinnert sich Otto Polak. Doch die Großmutter wurde misstrauisch und rief bei einem der Lehrer an. Sie erfuhr, dass die Schule aufgelöst und alle Kinder zusammen mit den Lehrern auf einen Transport geschickt werden sollten. Hilka Jacobsohn erklärte ihrem Enkel daraufhin: „Die Schule fährt weg, aber du kannst nicht mit. … Kannst froh sein, dass du nicht mitbrauchst.“ Fast alle Kinder und Jugendlichen, welche die jüdische Schule an der Kohlhökerstraße besucht hatten, wurden am 18. November 1941 mit ihren Lehrern nach Minsk deportiert, mit demselben Transport, dem sich auch Ottos Vater und seine Großmutter Adele Polak anschließen mussten. Seine Bremer Mitschüler*innen und Lehrer, die in das Ghetto von Minsk verschleppt wurden, hat der heute 87-Jährige nie wiedergesehen. Bis Kriegsende konnte Otto keine Schule mehr besuchen. Zeitweise erhielt er zu Hause Privatunterricht von einer Lehrerin aus Bremen, die jüdischer Herkunft, aber christlich getauft war. Sie „kam dann jede Woche zweimal“ nach Kirchweyhe, doch wie schon in der Kohlhökerstraße habe er auch bei ihr „nichts gelernt“, sagt Otto Polak. Bis heute fragt er sich, warum er damals nicht in der Lage war, zu lernen. Vielleicht waren es die schwierigen Lebensumstände und Bedrohungen, mit denen er zurechtkommen musste. Sicher ist, dass er sich oft einsam und eingesperrt fühlte, weil er das Grundstück seiner Großmutter nicht verlassen sollte. Am 6. Dezember 1942 starb Ottos Mutter in einer Bremer Klinik. Einer seiner größten Schätze ist der Abschiedsbrief, den sie Monate zuvor für ihn geschrieben hatte. Darin steht unter anderem: „Ich weiß, mein Junge, dass Dir im Leben noch schwere Stunden bevorstehen …, aber sei stark und verliere niemals den Mut. … Mein lieber Junge, zeige … der Welt immer ein lachendes Gesicht. Du wirst dadurch im Leben leichter haben.“
Um den schweren Verlust zu verarbeiten, standen dem Jungen seine Großmutter Hilka und die drei Schwestern der verstorbenen Mutter zur Seite. Durch den Tod von Johanne Polak wurde die Großmutter zu seiner wichtigsten Bezugsperson.Ein Lichtblick in seiner bedrückenden Kindheit waren für Otto die etwa fünfzig sowjetischen Kriegsgefangenen, die auf dem Grundstück seiner Großmutter untergebracht wurden und auf Kirchweyher Bauernhöfen arbeiten mussten. Einige von ihnen konnten Deutsch und bastelten Spielzeug und Ringe für den Jungen. Ihnen erzählte Otto, in welcher Lage er sich befand. Einer der Gefangenen sagte zu ihm, wenn alles vorbei sei, solle er mit nach Russland gehen. „Deutschland ist nicht für dich. Die Deutschen sind nicht gut zu dir.“
Im Februar 1945 sollte der inzwischen elfjährige Otto Polak in das Ghetto von Theresienstadt deportiert werden, „zum Arbeitseinsatz“, wie es auf der Deportationsliste vom 8. Februar hieß. Hilka Jacobsohn versuchte mit allen Mitteln, den Abtransport ihres Enkels zu verhindern. Schließlich wandte sie sich an Dr, Folkard Willms. Er hat „mir eine Salbe gegeben“, erzählt Otto. „Dann wurde mein ganzer Körper richtig knallrot, und es fing … alles an zu jucken.“ Daraufhin schrieb der Arzt ein Attest für Otto, dass er eine hoch ansteckende Krankheit hätte und nicht transportfähig sei. Wenige Wochen später kamen die Engländer und besetzten Kirchweyhe. Die Nazis konnten nichts machen, außer sich zu ergeben und weiße Fahnen aus den Fenstern zu hängen. Für Otto Polak kam mit den britischen Truppen der Tag seiner Befreiung.
Wir sollten folgendes aus der Lebensgeschichte von Otto Polak lernen: Wir sind zwar gleich und doch unterschiedlich. Wir haben eine Vielfalt an Sprachen, Kulturen und Nationalitäten. Manche von uns sind hellhäutig, andere dunkelhäutig. Manche von uns gehören einer Religionsgemeinschaft an, andere eben nicht. Doch unser Wert geht durch unsere unterschiedlichen Weltanschauungen nicht verloren.
Das wurde in der Zeit des Nationalsozialismus nicht anerkannt. Jeder von uns ist einzigartig, und keiner hat das Recht, den Wert des anderen zu mindern. Denn wir sind alle Menschen, die das Recht auf Freiheit haben.

(Quellen: Gabriele Ullrich u. Hermann Greve: „… aber wir waren doch immer gut zu dir!“ Ein jüdisches Kinderleben im Bremer Umland. Radio Bremen II, 13. April 1996 [darin Auszüge aus Interviews mit Otto Polak]; Gabriele Ullrich u. Hermann Greve, Vom Kaiserreich zum Grundgesetz. Spuren Weyher Geschichte 1871-1949, Weyhe, 1989, S. 97-101)

Stolpersteine für Carl Polak und Johanne Polak geb. Jacobsohn im Ortsteil Kirchweyhe. Sie wurden 2011 von dem Kölner Künstler Gunter Demnig vor dem ehemaligen Wohnhaus der Familie Polak (heute Lahauser Str. 1) verlegt.

„An den Ein- und Ausgangsstraßen unseres Dorfes erinnern Aufschriften auf Schildern daran, daß das Ueberschreiten der Gemeindegrenzen von Juden als unangenehm und störend empfunden wird“, heißt in einem Bericht der Brinkumer Lokalzeitung „Allgemeiner Anzeiger“ vom 19. August 1935. Unser Foto zeigt eines dieser Schilder, die im August 1935 in Leeste aufgestellt wurden.

(Transkription des Presseberichts)
Allgemeiner Anzeiger (Brinkum) v. 10. August 1935:
„Kirch- und Sudweyhe, 10. August. (Die Judenfrage.) In den letzten Wochen, wo die Juden etwas unter die Lupe genommen und ihnen die Maske vom Gesicht gerissen wurde, wird manchem deutschen Menschen erst klar, was für ein Schädling der Fremdrassige ist. Wie überall im Gau Südhannover-Braunschweig, so wurden auch hier unter der Anteilnahme der Politischen Leiter, der SA., HJ. und der Bevölkerung am gestrigen Abend gegen 9 Uhr mehrere große Schilder mit der Aufschrift: „Juden betreten diesen Ort auf eigene Gefahr“, aufgestellt. In Kirchweyhe wurde diese Aktion mit dem Aufstellen der Tafel am Bahnhof eingeleitet. Der Ortsgruppenleiter sprach in einigen Worten von dem schädigenden Einfluß der Juden; denn nur allein der internationale Jude war es, der unser Vaterland ins Unglück, in die Schmachketten brachte. Das Erwachen kommt nun, jetzt wird das deutsche Blut sprechen. Mit dem Horst-Wessel-Lied und einem dreifachen Siegheil auf unseren Führer und Reichskanzler fand dieser Akt seinen Abschluß. Weiter wurde dann noch ein gleiches Schild im Dorf (Scharmarsch) angebracht. Auch in Sudweyhe wurden in gleicher Weise unter Leitung des Zellenleiters diese Schilder aufgestellt. Ferner sei noch erwähnt, daß auch in der Badeanstalt des Schwimmvereins ‚Wasserfreunde‘ ein Schild ‚Juden Zutritt verboten‘ angebracht ist. So haben wir auch hier den Einwohnern gezeigt, dass der Rassenkampf nicht umsonst gewesen ist. Unser Kampf gilt allem Undeutschen, gilt den Juden und denjenigen, die beim Juden kaufen und die damit gegen das deutsche Blut und unser heiliges rassisches Prinzip verstoßen.“

Friedrich Meyer, geboren 1904 in Dreye, war seit 1924 Mitglied der KPD, der Kommunistischen Partei Deutschlands. Seine 88 Mitglieder umfassende KPD-Gruppe war der NSDAP ein Dorn im Auge, da sie zusätzlich zu ihren politischen Ansichten heimlich eine Zeitung veröffentlichten. Am 8.8.1933 flog Friedrich Meyer jedoch auf: Nachdem die Gestapo ihn Zuhause blutig geschlagen hatte, verhafteten sie Meyer und brachten ihn ins Gefangenenhaus Ostertor. An diesen Ort sollte er bis kurz vor seinem Prozessbeginn nicht zurückkehren. Kurz darauf wurde Meyer ins KZ Mißler, ein Stadtteil-KZ in Bremen, verlegt. Nach den Beschwerden einiger Anwohner über die Misshandlung der Gefangenen wurde das KZ Mitte ’33 aufgelöst. Mit dem Lloyd-Kahn wurde der Großteil der Häftlinge abtransportiert (Bild) und zu Landgewinnungsarbeiten in Deichhausen eingesetzt. Friedrich Meyer ist unten rechts im Bild zu sehen. Beim Prozess verurteilte man Meyer zu einer 1-jährigen Haftstrafe. Diese Zeit saß er im Gefängnis Vechta ab. Mit der Freilassung hörte Meyers Arbeit im Widerstand jedoch nicht auf. Er setzte seine Arbeit fort und hielt dieses selbst vor seiner Familie geheim. 1943 musste er erneut für drei Wochen in Haft. Aufgrund seiner politischen Vergangenheit galt Friedrich Meyer als „wehrunwürdig“, dennoch arbeitete er in einem wichtigen Rüstungsbetrieb. Während des Krieges wurde Meyer jedoch um eine Rückerlangung seiner Wehrwürdigkeit gebeten. Anschließend wurde er in verschiedensten Abteilungen der Wehrmacht eingesetzt. Letztlich landete er in einem Himmelfahrtskommando, welches Benzintransporte durchführte. Bei dieser Arbeit gelangte Meyer zweimal in

Kriegsgefangenschaft: Zuerst bei den Amerikanern, danach bei den Briten. Erst 1947 konnte er nach Bremen zurückkehren. Nach dem Krieg arbeitete Meyer bei der Firma „Borgward“ und stellte dort Autos her. Eines seiner Autos, die sogenannte „Isabella“, stiftete er später an das Bremer Landesmuseum.

Als Sozialdemokrat und Mitglied der SPD stand auch Heinrich von Weyhe unter Beobachtung. Nachdem die SPD am 22.Juni.1933 verboten wurde, verließen er und sein Parteikollege Heinrich Wassmann nach Aufforderung den Kirchweyher Gemeindeausschuss. Trotz ihrer Kooperation wurde von Weyhes Haus mehrfach durchsucht. Heinrich von Weyhe wurde nach 1945 von der britischen Militärregierung als Bürgermeister der Gemeinde Kirchweyhe eingesetzt. Heinrich Wassmann amtierte in den Jahren 1948 – 1951 als Kirchweyher Bürgermeister. Zwischen 1946 und 1960 leitete er die Amtsgeschäfte der Kommunalverwaltung als Gemeindedirektor. Die meisten der Weyher Sozialdemokraten ging in die „innere Emigration“, die Opposition bzw. Widerstand gegen das NS – Regime, ohne auszuwandern.

Gewerkschaften (generell)

Gewerkschaften hatten in Nazi-Deutschland einen schweren Stand, da sie von der NSDAP als politische Gegner angesehen wurden. Die NSDAP sah sich selbst als Vertreter der Arbeiter, der Bevölkerung sollte überdies vermittelt werden, dass Gewerkschaften Arbeiter lediglich ausnutzten. Solche Aussagen lassen sich auch in hiesigen Zeitungen wie z.B. der Syker Zeitung finden. Eine der einflussreichsten Gewerkschaften in unserer Region war die Eisenbahngesellschaft, da es in Kirchweyhe einen wichtigen Bahnhof mit vielen Arbeitern gab. Das Handeln der Gewerkschaftsmitglieder duldeten die NSDAP-Politiker nicht. Streiks wurden grundsätzlich als ungerechtfertigt angesehen, wie man ebenfalls Artikeln der Syker Zeitung entnehmen kann. Dementsprechend harte Konsequenzen mussten Aktive fürchten: In der Regel gab es Gehaltsentzug oder Entlassungen. Auch Beamte, die an Streiks teilnahmen, wurden von den Maßnahmen nicht verschont.

Der ursprüngliche Gelsenkirchener wurde am 19.07.1889 geboren und kam 1921 nach Kirchweyhe. Bernhard Poelder war Sozialdemokrat, Gewerkschaftssekretär des Deutschen – Eisenbahner – Verbandes und Leiter des Reichsbanners. 1924 wurde er Mitglied des Weyher Gemeinderates, des Kreistag des Kreises Syke 1925 und 1928 des Preußischen Landtages in Berlin.
Im Mai 1933 wurde Poelder aufgrund seiner politischen und gewerkschaftlichen Tätigkeiten, aber vorrangig seiner Leitung des Reichsbanners, für mehrere Monate inhaftiert. Nach Ende seiner Haft misshandelte eine Gruppe von SA und SS Männern den körperlich und psychisch stark geschwächten Bernhard Poelder am 04.Oktober ’33. Sie zwangen ihn, mit einer Trommel um den Hals, einen Marsch durch Kirchweyhe anzutreten. Dabei fügten sie ihm durch Schläge und Tritte Verletzungen zu. Nach seiner Rettung durch die Polizei waren seine Peiniger ihm allerdings gefolgt und schlugen ihn, bis er das Bewusstsein verlor. An den Folgen dieser Misshandlungen litt er noch Jahre später. In de folgenden Jahren beteiligte er sich weiterhin am politischen Widerstand gegen das NS-Regime und geriet zeitweise erneut in Haft. Nach Ende des Krieges wurde Poelder durch das Britische Militärregierung zum Bürgermeister der Stadt Syke ernannt. Am 20.03.1946 wurde er zum Stadtdirektor gewählt, dieses Amt übte er bis November 1947 aus. Während des Prozesses gegen die Haupttäter des 04.Oktober.1933, der 1949 stattfand, sagte er die Angeklagten seien „irregeleitete Menschen der damaligen Zeit“. Er starb am 18. März 1959 in Hannover.

Fritz Häfker ist am 21.02.1907 geboren, war Maurer und ein Leester Sozialdemokrat. Er wurde 1933 aufgrund einer Zurschaustellung seiner Abneigung gegen die örtlichen Nationalsozialisten festgenommen. Auch seine Leitung der Reichsbanner-Ortsgruppe könnte zu seiner Festnahme beigetragen haben. 1933 war das Schwarz-Rot-Goldene Reichsbanner, die verbotene Vereinigung republikanischer Kriegsteilnehmer, darunter hauptsächlich Mitglieder der SPD und freie Gewerkschaftler. Die Gruppe galt als Schutztruppe der sozialdemokratisch orientierten Arbeiterbewegung und geriet am Ende der Weimarer Republik in Konflikte mit den Nazis. Fritz Häfker verschwand für mehrere Monate in den Konzentrationslagern Moringen und Esterwegen. Häfker wurde am 23.6.’33 im Gefängnis zu Bassum inhaftiert und am 04.07.33 in das KZ-Moringen überführt, in welchem er bis zum 23.08. blieb. Vom 12.-18. Oktober war er ein zweites mal im KZ-Moringen inhaftiert. Über seine Zeit und Erlebnisse in den Konzentrationslagern wollte er nicht mit seiner Familie sprechen. Nach seiner Entlassung aus Esterwegen passte Fritz Häfker sich an, er wurde Soldat in der deutschen Wehrmacht und bekam eine Auszeichnung als Veteran des zweiten Weltkrieges. 1946 beantragte Häfker als ehemaliger politischer Verfolgter Sonderhilfsleistungen beim KSA Syke und gab Bernhard Poelder als Zeugen für seine Inhaftierungen aus politischen Gründen zwischen Mai und November 1933 an.

(NSDAP = Nationalsozialisten, Partei Adolf Hitlers, NS-Regime). Die Schergen der nationalsozialistischen Partei trieben auch in Weyhe ihr Unwesen. Besonders häufig rächten sie sich an politischen Gegnern. So versuchten sie während der NS-Zeit unter anderem den Arbeiter Friedrich Meyer, der sich politisch gegen die Nazis gestellt hatte, auszuschalten. Bei seinem Haus in Dreye wurde er 1933 von Gestapo-Männern (= Polizei während der NS-Zeit) blutig geschlagen und entführt. Man brachte ihn in ein Bremer KZ, in dem die Gefangenen regelmäßig misshandelt wurden. Meyer musste verschiedene Zwangsarbeiten leisten und kam schließlich noch für längere Zeit in ein Gefängnis bei Vechta. Im Zweiten Weltkrieg wurde er gezwungen lebensgefährliche Benzintransporte durchzuführen. Die NSDAP konnte außerdem besondere Tage für große Propaganda-Spektakel in Weyhe nutzen. Dabei bekam sie u.a. Unterstützung von den damaligen Kirchweyher Pastoren, die überzeugte Anhänger Hitlers waren. In der Kirchenchronik ist zu lesen, dass die Kirche in Kirchweyhe, die mit vielen Hakenkreuz-Fahnen ausgestattet worden war, am 1. Mai 1933 mit zahlreichen begeisterten Weyher Bürger*innen gefüllt gewesen sei. Anschließend habe es einen Aufmarsch in Sudweyhe gegeben, bei dem die Männer in Uniformen liefen und die Hakenkreuz-Fahnen schwenkten.

Der Politiker Bernhard Poelder hatte auf mehreren Veranstaltungen in Syke vor einer Diktatur der Nazis gewarnt. Im Oktober 1933 fuhr er nach Kirchweyhe um seine Tochter zu besuchen. Dort angekommen, wurde er von Männern in ein Auto der SS (= Unterdrückungsorganisation Hitlers) gezerrt. Man fuhr ihn zum Weyher Bahnhof. Er musste die gesamte Bahnhofsstraße (Kirchweyhe) durchlaufen und war dabei von etwa 40 uniformierten Nazis mit Fackeln und Trommeln begleitet, die ihn misshandelten. Zahlreiche Weyher Bürger*innen waren als Schaulustige anwesend. Sie griffen nicht ein, sondern beschimpften Poelder noch zusätzlich. Später am Abend wurde dieser mit Pistolen eingeschüchtert. Nachdem er endlich freigelassen war und auf der Landstraße zu Fuß nach Hause ging, wurde er von SS-Leuten im Dunkeln überfallen und so schwer misshandelt, dass er gesundheitlich noch jahrelang unter den Folgen litt.Man hatte ihm u.a. den rechten Arm zerschmettert und ihn bewusstlos in den Straßengraben geschmissen. Im Kirchweyher Bahnhofsgebäude ist heute eine Gedenktafel für Poelder zu finden. Außerdem wurde die heutige Poelderstraße in Leeste nach ihm benannt.

Diese Beispiele (es gibt noch dutzende mehr) zeigen, dass auch die Menschen in Weyhe zur NS-Zeit unmenschliche Taten duldeten und selbst mittrugen. Darüber hinaus wurden Menschen jüdischen Glaubens, die in Weyhe lebten, wie etwa die Familie Polak, verschleppt und umgebracht. Die Shoah (Massenvernichtung der europäischen Juden unter dem NS-Regime), eines der grausamsten und menschenverachtendsten Vorhaben aller Zeiten, wurde also auch von Weyher Bürger*innen, die stolz SS- Uniformen trugen, gebilligt.

Derartiges darf nie wieder geschehen und muss, aufgrund der Weyher Vergangenheit, gerade hier, im Ansatz bekämpft werden. Dass das nicht immer konsequent getan wurde, zeigen diese Beispiele aus den letzten Jahren:

Mitte der 90er Jahre war eine Gaststätte neben der heutigen Grundschule Lahausen ein Treffpunkt für Neonazis aus ganz Norddeutschland. Es gab dort eine Razzia der Polizei. Anfang 2000 gab es eine Neonazi-Demo von der KGS Leeste zum Marktplatz in Kirchweyhe mit um die 100 Beteiligten. Fünf von ihnen vermummten sich im Anschluss, griffen Menschen an und schlugen auf ein Auto ein. Organisiert wurde die Demo von der Neonazi-Gruppierung ‚Freie Nationalisten Weyhe‘. Schüler*innen, die sich gegen rechtes Gedankengut positionierten, wurden an KGS Leeste wie KGS Kirchweyhe von Mitgliedern dieser Gruppe eingeschüchtert. Ende 2007 riegelte die Polizei, nach Informationen aus Internetartikeln, „ganz Kirchweyhe ab“, als die Neonazi-Partei NPD mit Reichsfahnen einen Aufmarsch durch die Bahnhofsstraße durchführte. 2012 half ein Jugendlicher aus Lahausen bei der Gründung und wurde erster Vorsitzender der rechtsextremen ‚Identitäre Bewegung Deutschland‘-Bundesgruppe, die vor allem über Facebook rassistische Inhalte verbreitete. 2013, 2015 und zuletzt 2016 fanden weitere Nazi-Aufmärsche in Leeste und Kirchweyhe statt, in deren Rahmen z.T. über 100 Rechtsextreme aus ganz Deutschland in die Gemeinde kamen. Darunter Gewalttäter, Shoah-Leugner*innen, sowie Menschen, die im Verdacht standen Mitglied einer (rechten) terroristischen Vereinigung zu sein. Am Rande der Demos wurden stets Menschen angepöbelt, z.T. massiv bedroht und eingeschüchtert. 2020 wurden auf dem Gelände der KGS Leeste sowie auf dem der KGS Kirchweyhe gesprühte Hakenkreuze und SS-Runen entdeckt, auch Sticker der Neonazi-Partei NPD. Zudem gab es in unserem Nachbarort Syke einen mutmaßlich rassistisch motivierten Brandanschlag. Der Terror und Schrecken der NS-Zeit ist also in Weyhe auch heute noch ein Thema, über das unbedingt gesprochen werden muss.

Im Namen der Menschlichkeit und in Solidarität mit allen, die von den Weyher Nazis besonders gehasst und verfolgt wurden und werden.

Ein Erklärvideo für Schulkinder, die etwas über die Hintergründe der NSDAP wissen möchten. Demzufolge werden einige Inhalte sehr bildlich und in Teilen vereinfacht dargestellt. Es wird hauptsächlich die gesamte Partei dargestellt. Ein kleiner Teil beschäftigt sich auch mit Weyhe. Die verwendeten Quellen werden im Anschluss genannt.
Hallo!
Bevor wir mit den Fakten zur NSDAP anfangen, wollen wir gerne noch ein paar Worte zu unserer Arbeit sagen. Wir haben uns als Recherche intensiv mit den Themen auseinandergesetzt und diese Fakten in Texte verbaut, die wir euch hier präsentieren wollen. Die Texte sind neutral und faktenorientiert geschrieben und beinhalten deswegen keine persönliche Meinung. Deswegen ist uns wichtig zu betonen, dass wir jede Gräueltat der NSDAP und ihrer Anhänger auf das Schärfste verurteilen!
Um das ganze Thema ein wenig anschaulicher und auch interessanter zu gestalten, gibt es viele Animationen und Bilder im Video. Dazu gehören auch Karikaturen vom NSDAP- Führer Hitler selber. Diese sollen für ein besseres Verständnis dienen, und nicht zur Belustigung. Auch wenn sie dieser Präsentation durch ihren amüsanten Zeichenstil eine gewisse Leichtigkeit verleihen, ist das Thema und auch Hitler selber nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.
Wir grenzen uns klar von jeder Verharmlosung dieses wichtigen Themas und der grausamen Zeit des Holocausts ab! Damit es zu keine Verharmlosung kommt, haben wir diese Texte geschrieben. Sie sollen auf die damalige Zeit aufmerksam machen. Gemeinsam wollen wir ein Zeichen gegen Rassismus und Hass mit diesem Holocaust- Gedenktag setzen und aus dieser Zeit lernen, damit so etwas nie wieder einen Weg in unserer Gesellschaft findet.
Dankeschön!

https://www.youtube.com/watch?v=6FRVcDTelzk

Von besonderer Bedeutung war die Jugend, denn aus der Gemeinschaft der Jugend ging die Gemeinschaft des Volkes hervor.

Heimbau

Der Bau von zahlreichen HJ- Heimen hatte großen Einfluss auf die Jugend. Sie wurden auf Wunsch Adolf Hitlers gebaut, um seine nationalsozialistische Erziehung schon bei den ganz Kleinen durchzusetzen. Die Heime bildeten den Mittelpunkt der Organisation und schafften Raum für die Vermittlung der Ideale der Nationalsozialisten. Die HJ und die weiteren Gruppen für Jüngere oder Mädchen wuchsen dadurch sehr schnell und umfassten irgendwann fasst die ganze junge Generation.

Sportfest

In regelmäßigen Abständen fanden für die Jungen der HJ Sportfeste statt. Es galt der Grundsatz, dass Körperertüchtigung zur Erziehung zur Gemeinschaft und zu Härte diene. Die Sportfeste wurden mit einem Propagandamarsch durch die Stadt begonnen und am nächsten Morgen mussten die Jungen Sport treiben und gegeneinander kämpfen. Zeitungsberichten zufolge hätten die Jungen viel Spaß bei den Festen gehabt. Hier in der Nähe fanden die Sportfeste oft in Bassum und Syke statt.

Überweisungsfeier

Die so genannten „Überweisungsfeiern“ sind große Feiern, bei denen die Jungs vom Jungvolk in die Hitlerjugend übergehen. Gefeiert wird dieses im Alter von 14 Jahren. Es werden Gedichte vorgetragen, Lieder gesungen und zum Schluss verpflichten sich die Jungen durch die Verpflichtungsformel. Am 31. März 1940 wurde auch in Syke eine Überweisungsfeier zelebriert.

„Ich glaube an Deutschland, wie an Gott“ – ein Schwur der Überweisungsfeier

„Ich gelobe, dem Führer Adolf Hitler treu und selbstlos zu dienen. Ich gelobe, mich allezeit einzusetzen für die Einigkeit und Kameradenschaft der deutschen Jugend. Ich gelobe gehorsam dem Reichsjugendführer und allen Führern der Hitlerjugend. Ich gelobe bei unserer heutigen Fahne, dass ich immer versuchen will ihrer würdig zu sein, so wahr mir Gott helfe!“

Mit diesem Gelöbnis wurden am 25.04.1937 auch in unserer unmittelbaren Nähe, in Bassum, viele 14-jährige Jungen in die Hitlerjugend überwiesen. Obwohl aus dieser Zeit nicht mehr viel bekannt ist, zeigen Zeitungsartikel aus dem Weyher Archiv, wie auch hier die unmenschlichen Ideale der Nationalsozialisten das Leben der Jugend bestimmten. Die Kameradschaft in der HJ stellte dabei einen großen Teil des Lebens dar, da die Jungen in sportlichen, geistigen, charakterlichen, kulturellen und weltanschaulichen Arbeitsgruppen zusammen Zeit verbrachten. In den damaligen Zeitungen wurde die HJ hauptsächlich als eine spaßige Freizeitgruppe beworben, in der jeder seine Pflichten des Volkes gegenüber erfüllen könne. In den örtlichen Zeitungen besonders hervorgehoben wurden auch die HJ-Heime, die auf Wunsch Hitlers in ganz Deutschland errichtet wurden und auch in Weyhe auf Unterstützung trafen.

Hitlerjugendgruppe in Kirchweyhe – 1934. Foto: Gemeindearchiv Weyhe

Hitlerjugend vor der Kirchweihen Felicianuskirche – um 1934. Foto: Gemeindearchiv Weyhe

Im Gebiet der heutigen Gemeinde Weyhe gab es bis in die 1960er Jahre ausschließlich Volksschulen. Ab Mai 1933 bestanden noch sieben von ehemals zehn Schulen, in denen etwa 1400 Jungen und Mädchen im Alter von sechs bis vierzehn Jahren unterrichtet wurden. Nur eine kleine Gruppe von Jugendlichen besuchte, zumeist im nahen Bremen, weiterführende Bildungseinrichtungen, um die Mittlere oder die Hochschulreife zu erwerben. In Sudweyhe zum Beispiel wechselten zwischen 1933 und 1943 gerade mal 3,5 Prozent der Jungen und Mädchen nach Abschluss der vierten Klasse auf eine Mittel- oder Oberschule.  

Die drei Gemeinden Kirchweyhe, Leeste und Sudweyhe, die seit 1974 die heutigen Gemeinde Weyhe bilden, zählten 1933 knapp 9500 Einwohner. Heute leben hier 31.000 Menschen, unter ihnen 2900 Schülerinnen und Schüler, die in den fünf Grundschulen und den beiden Kooperativen Gesamtschulen unterrichtet werden und in Weyhe alle Abschlüsse bis hin zum Abitur erwerben können.

In der Zeit des Nationalsozialismus war das Schulleben ebenso wie viele andere Aspekte des täglichen Lebens anders als wir es heute kennen. Die am weitesten verbreiteten Schulen hießen Volksschulen und waren deutlich kleiner als unsere heutigen Schulen. In Weyhe gab es mehrere Volksschulen, sie befanden sich zum Beispiel in Kirchweyhe, Leeste, Erichshof und Melchiorshausen und hatten zwischen zwei und acht Klassen. Auffällig ist, dass die Klassen sehr viel größer waren als die heutigen. In einer einzelnen Klasse waren oft mehr als 60 Kinder, die von nur einem Lehrer betreut wurden.

Lehrberichte

Bei der Analyse von alten Lehrberichten, sind einige Unterschiede, besonders im Bezug auf die Unterrichtsfächer auffällig. Ähnlich wie heute gab es Fächer wie “Geschichte”, “Rechnen und Raumlehre” und “Deutsch”. Jedoch gab es auch ein paar zusätzliche Schulfächer, die es heute nicht mehr so direkt gibt. Wie zum Beispiel die Fächer “Heimatkunde” und “Nationalpolitische Stoffe”. Für jede Woche wurde auch ein Wochenspruch festgelegt oder über die Tagesereignisse gesprochen. Ein Wochenspruch lautete zum Beispiel: „Mein Glaube ist die Liebe zu meinem Volke“. Diese Sprüche wurden häufig zur gezielten politischen Meinungsbildung genutzt, um unter anderem die Gedanken der jüngeren Generation zu prägen und zusätzlich schon frühzeitig das Nationalgefühl zu stärken. Im Bezug auf die Inhalte im Deutschunterricht wird deutlich, dass keine Fremdwörter benutzt werden, zum Beispiel wird ein Nomen als “Dingwort” bezeichnet. Außerdem wurden viele deutsche Gedichte gelesen, oft die deutsche Grammatik behandelt und der Wochenspruch reflektiert.

In allen Geisteswissenschaften, wurde das Vaterland sehr betont. Zum Beispiel wurde in Geschichte viel über die Entstehung Deutschlands gesprochen und in Erdkunde über die Rassentrennung. Außerdem erscheint der Sportunterricht sehr wichtig, denn es gab nicht nur jeden Tag “Leibeserziehung” sondern auch das Unterrichtsfach “Wanderungen”. Dies führte zu einem starken Körperbau, der benötigt wird um ein guter Soldat zu sein. Eine weitere Auffälligkeit ist, dass sehr wenig Unterrichtszeit für die mathematischen und naturwissenschaftlichen Fächer verwendet wurde. Dies zeigt, dass sich die Bildung der Schüler nicht auf alle Fachrichtungen bezieht und somit sehr selektiv war.

Das Ziel der schulischen Ausbildung war es demnach, einen guten Soldaten zu “erschaffen”. Dies bedeutete Jungen mit einem guten Körperbau, die Befehle verstehen können, aber nicht selbständig weiter denken, um diese Anweisungen zu hinterfragen. Dazu wurde eine einseitige, durch Propaganda geprägte Sicht und die Bündelung der Gedanken auf das alleinige Wohl des Vaterlandes, benötigt. Außerdem sollte die Kommunikation mit Nicht-Deutschen verhindert werde. All dies führte zu großem uneingeschränkten Nationalstolz und Treue zur NSDAP.

Lehrer in der NS-Zeit

Lehrer an den Volksschulen mussten dem Parteiideal entsprechen und der NSDAP treu sein. War dies nicht der Fall mussten sie fürchten entlassen und verfolgt zu werden. So kam es dazu, dass der Leester Volksschullehrer Ernst Friedrich Eilers, welcher schon seit 1898 Lehrer war, am 1. November 1933 vorzeitig in Pension geschickt wurde. Eilers habe, offiziellen Angaben zufolge, „den Hitlergruß der Kinder [sabotiert]“ (Gemeindearchiv Weyhe, Chronik der Volksschule Leeste, Bd.1, S. 257) und wurde aus diesem Grund in Schutzhaft genommen. Die Schutzhaft war eine Haft, die zuvor auf eine Höchstdauer von 24 Stunden beschränkt war, doch nach der Erhebung der Nazis wurde diese Beschränkung aufgehoben und die Schutzhaft wurde zu einem beliebten Mittel um politische Gegner ruhig zustellen. Die Treue zur NSDAP wird auch bei dem Schulleiter der Leester Volksschule deutlich. Nach einer Auseinandersetzung zwischen einem Lehrer und einem Schüler, schrieb der damalige Schulleiter in einem Brief an die Eltern, dass die Eltern des Schülers und der Lehrer sich als SA-Kameraden wieder vertragen sollen. Zudem unterzeichnete er den Brief, wie damals üblich, mit den Worten „Heil Hitler“.  Neben der politischen Ideologie und der politischen Beeinflussung der Kinder, die heutzutage nicht mehr getätigt wird, durften Lehrer die Schüler bei Fehlverhalten durch Prügel disziplinieren.

“Schulfreie” Tage

Der Reichstag am 21. März wurde gefeiert, indem am Mittag alle Kinder im Rundfunk die Feier in Potsdam hörten. Am Abend fand ein Fackelzug statt, bei dem, nach einer Ansprache des Lehrers, das Deutschland- und Horst-Wessellied erklang, welche beide politische Lieder sind, die das Nationalgefühl stärken sollten. Am 20. April wurde in den Schulen der Geburtstag des Führer gefeiert, wobei sich die Kinder in den Schule versammelten und aus dem Leben Adolf Hitlers hörten. Außerdem wurde den Kindern im Anschluss eine Radioübertragung vorgespielt. Der erste Mai wurde von den Nationalsozialisten zum Tag der nationalen Arbeit umbenannt und wurde ebenfalls gemeinsam in der Schule gefeiert. Es wurde ein Radiobeitrag aus dem Lustgarten in Berlin übertragen, nachmittags gab es in Kirchweyhe einen Umzug und am Abend fand in Dreye eine Übertragung des Festes vom Tempelhofer Feld durch zwei große Lautsprecher statt, wobei nach einer Rede des Reichskanzlers, Adolf Hitler, ein Feuerwerk abgebrannt wurde. Es wird deutlich, dass die “schulfreien” Tage nicht wörtlich genommen werden können. Die Schüler hatten zwar keinen Unterricht, aber sie mussten dennoch an Feiern, Radioübertragungen und Umzügen teilnehmen. Diese gemeinsamen Feiern sollten das Gemeinschaftsgefühl innerhalb der Gemeinde und die Verbindung mit der Führungspartei stärken. Ähnlich war dies auch in den Schulferien, denn Schulferien bedeuten nicht Dienstferien. Diese so genannten Schulferien bestanden aus der, ab einem Alter von elf Jahren verpflichtenden Teilnahme an Lager- und Großfahrten, die zur erweiterten Erziehung und Führerausbildung dienten. Außerdem sollte das “Jungvolk” auch während der schulfreien Zeit sinnvoll beschäftigt werden. Durch gemeinsam erlebte Ereignisse sollte das Zusammengehörigkeitsgefühl gestärkt und die Schüler in die Politik eingebunden werden. Die einzigen Dienstferien waren die Winterferien, welche von Mitte Dezember bis Mitte Januar andauernten. Es wird deutlich, dass die Kinder im Nationalsozialismus ihre Kindheit nur begrenzt selbstständig ausleben durften. Dies eröffnete der Regierung die Möglichkeit die Erziehung der Jugend zu beeinflussen, Propaganda zu verbreiten und somit die Systemtreue der Kinder zu sichern.

Die wirtschaftliche Funktion der Schulen

Während des NS-Regimes und besonders nach dem Beginn des zweiten Weltkriegs waren Schulen nicht nur ein Ort zum Lernen. Schüler sollten auch schon im jungen Alter einen Mehrwert für die Gesellschaft und die Wirtschaft erbringen. Ein Beispiel für ein Projekt, welches die Wirtschaft unterstützen sollte, war das Anpflanzen von Maulbeeren, um die Produktion von Seide zu fördern. Ab 1938 wurden dieses Projekt von der Regierung gefördert und die Schulen wurden dringend dazu angehalten, das Projekt durchzuführen. Die Begründung für den Nutzen des Projekts war, dass es eine angewandte Ergänzung zum Unterricht sei. Jedoch wurde die Seide im Krieg auch dringend benötigt um. Fallschirme zu produzieren. (Gober, Schule unterm Hakenkreuz unter besonderer Berücksichtigung des Burgenlandes – Anspruch und Wirklichkeit,S.349) So konnten auch Kinder, die dem Krieg nicht als Soldaten dienen konnten, indirekt den Krieg unterstützen. Auch die Volksschulen in Weyhe und Umgebung nahmen an diesem Projekt teil. Hierbei erzielten besonders die Schulen Sudweyhe, Syke und Brinkum ein gutes Ergebnis und wurden dafür in der Zeitung gelobt. Aufgrund einiger Mängel an Schulgebäude musste die Schule in Leeste im Jahr 1935 renoviert werden. Nach sechs Jahren systematischer Vorbereitung der Regierung war der Neubau, der auch gleichzeitig als Musterschulbau für andere Schulen im Umkreis fungierte, 1941 fertig. Der Bau bestand aus acht Klassenräumen, einer Lehrküche, einem Bad, einem Werkraum und einer Dienstwohnung für die Lehrer. Draußen gab es außerdem einen Turn- und Sportplatz. Direkt neben der Schule befand sich das Hitlerjugendheim. Dies zeigt die absolute Kontrolle der Regierung und die enge Zusammenarbeit zwischen Hitlerjugend und der Schule. Die Eröffnung des Neubaus am 6. Januar 1941 wurde mit einer Flaggenparade von Lehrern und Schülern vor dem Gebäude gefeiert, wo der Rektor zusätzlich die Kinder und Jugendlichen zum wiederholten Mal auf den Führer, Adolf Hitler, einschwor. Wichtig ist außerdem, dass es über dem Haupteingang einen Wahlspruch gab: „Ziel erkannt, Kraft gespart! – Heran an den Feind! Vorwärts immer, rückwärts nimmer! Denke klar, rede wahr!“. Das hebt die vermehrte Benutzung der Propaganda im alltäglichen Leben und die gezielte politische Meinungsbildung der Schule hervor.

Adolf-Hitler-Schulen

Für Jungen ab dem 12. Lebensjahr, die sich in der HJ bewiesen haben, körperlich als besonders tüchtig galten, und auch in der Schule durch starke Leistungen auffielen, gab es ab Ende 1937 die Möglichkeit eine Adolf-Hitler-Schule zu besuchen. Die Schule war ein Internat, welches eine anspruchsvollere Ausbildung ermöglichen sollte und den Jungen so alle Wege in der NSDAP eröffnen soll. Außerdem galten die Adolf- Hitler-Schulen als Vorschule zu den elitären Ordensburgen, welche den Jungen weitere Wege zum Aufstieg innerhalb der Partei freistelte. Die Ausbildungskosten wurden vom Staat übernommen und die Dauer der Ausbildung sollte 6 Jahre betragen. Die Schulen waren Teil der Hitlerjugend und wurden von dieser geführt und geprüft.

Quellen

• Gemeindearchiv Weyhe • Gober, Eva Maria, „Schule unterm Hakenkreuz unter besonderer Berücksichtigung des Burgenlandes –

Bei der vom NS-Staat angestrebten Volksgemeinschaft handelte es sich um eine klassen- und ständelosen Gemeinschaft. Zu dieser Volksgemeinschaft zählten jedoch nur der nach dem NS- Staat urdeutschen „Arier“. Andere Bevölkerungsgruppen (wie zum Beispiel die Juden) wurden ausgeschlossen und es war ihnen somit nicht möglich Teil der Volksgemeinschaft zu werden. Sie wurden nach der Rassentheorie des Regimes als minderwertig erachtet, welches jedoch aus der Sicht der heutigen Biologie eindeutig falsch ist. Mit einer solchen Volksgemeinschaft, welche nur aus einer Bevölkerungsgruppe bestand, wollte man den Zusammenhalt innerhalb der Nation stärken und ein Gemeinschaftsgefühl erzeugen. Außerdem sollte das Gefühl an „blutmäßige Verbundenheit“ und ein gemeinsames Schicksal
gestärkt werden und somit auch der Glaube an den Nationalsozialismus. Das Gefühl einer Gemeinschaft wurde außerdem durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Vereinen gestärkt. Während der NS-Herrschaft traten immer mehr Personen den unterschiedlichen Vereinen bei. Dieses lag unter anderem daran, dass die Regierung diese bewarb und Hitler selber Mitglied in vielen Vereinen war. So organisierten die Dachverbände Mitgliederzahlen von bis zu 11,46 Millionen Mitgliedern. Es entstanden auch neue Vereine, wie zum Beispiel die Hitler-Jugend. Die Vereine waren eng verbunden mit der Regierung und verbreiteten das NS-Weltbild an die nachfolgende Generation. Nebst dieser Vereine sollte die Volksgemeinschaft auch durch viele Feste näher zusammenrücken.

Solche Feste wurden auf Reichsebene, z.B zum Reichsparteitag auf dem Zeppelin-Feld, veranstaltet. Hierbei setzte man auf monumentale Bauten und große Paraden und versuchte mit dieser Gigantomanie (auf Größe bezogene Übersteigerung) neue Anhänger zu gewinnen. Diese Feste wurden auch auf kommunaler Ebene im großen Stil gefeiert. So gab es auch in Weyhe beispielsweise Feiern zum 1. Mai (Tag der Arbeit), 21. März (Reichseinberufung) und zum 20. April (Geburtstag Hitlers).

Im Zuge der Feiern zum 1.Mai kam es zu einem gewaltigen Umzug aus Mitgliedern der Volksgemeinschaft welcher am Kriegerdenkmal in Sudweyhe endete. Dort wurden dann zum Beispiel zu Ehren des Reichspräsidenten Paul Hindenburg und des Reichskanzlers Adolf Hitler zwei Eichen gepflanzt. Außerdem kam es am Tag der Arbeit auch zu Umzügen der ansässigen Betriebe auf geschmückten Pferdekarren. Highlight dieses Umzuges war der Wagen der Eisenbahngesellschaft mit der aufmontierten Miniatur-Lokomotive (Bild 2).

So demonstriert die Eisenbahngesellschaft ihre Wichtigkeit als Haupt-Arbeitgeber der gesamten Region. Doch nicht nur zum Tag der Arbeit wurde ein solcher Aufwand betrieben. Auch am 21. März (Reichseinberufung) kam es zu einem Fackel- Umzug welcher mit einem Feuerwerk und einem Freiheitsfeuer endete. Abgesehen von Privatleuten waren bei einer großen Zahl der Feiertage auch Vereine involviert, welche sich präsentierten oder ihr Können zur Schau stellten. Der Aufwand für die Feiertage mit geschmückten Straßen, Wagen und Fackel- Umzügen war damals um ein vielfaches größer als heutzutage.

Im Februar 2020 hat der Fachbereich GSW während der Projektwoche das Projekt „Weyhe im Nationalsozialismus“ zusammen mit unserem Archivar Hermann Greve im Rathaus der Gemeinde Weyhe durchgeführt. In diesem Zusammenhang haben wir das Archiv besichtigt, in Originalquellen „gestöbert“ und uns überlegt, wie wir diese Quellen unserer großen Schulgemeinschaft präsentieren können. Es wurden Plakate erstellt, Rundgänge gestaltet und Audiobeiträge aufgenommen.

Alle Quellen stammen aus dem Gemeindearchiv Weyhe, Stadtarchiv Syke, Presentermedia oder aus besonders gekennzeichnete Quellen.