Deutschland ist meine Droge: Neue Dimensionen, jugendliche Eigeninitiative und Nachhaltigkeit in der deutsch-französischen Freundschaft an der KGS Leeste

Sie heißen Teddy, Victor, Juliette, Blandine und Marion. Sie sind 16 und 17 Jahre alt und besuchen den Abiturjahrgang des Lycée Montesquieu in Le Mans im französischen Département Sarthe. Dort lernte Teddy (17), passionierter Deutschlandfan, unsere Schülerin Malin Uhlhorn kennen, die es in Anschluss an einen Schüleraustausch mit unserer Partnerschule ein weiteres Mal für kurze Zeit in die Stadt zog, wo ihre Austauschpartnerin Cassandre nun des Gymnasium besucht. Nun ist Malin eine der fünf Gastgeberinnen der jungen Franzosen, die ihren Aufenthalt in Weyhe ganz und gar in Eigenregie organisiert haben. Das Ticket für die Fahrt mit dem Flixbus sowie die Kosten ihrer nachmittäglichen Exkursionen ins Klima- und Auswandererhaus in Bremerhaven, dem Paula- Modersohn-Becker Museum und der Kunsthalle in Bremen sowie einem gemeinsamen Ausflug mit den Gastgeberinnen Amira Reuter, Jana Wolter, Carolin Ehlers, Sharlyn Rachner und Malin Uhlhorn nach Hamburg finanzierten sie mithilfe von Kuchenverkäufen auf den Wochenmärkten ihrer Heimatstadt und Bingonachmittagen in Altenheimen. Fragt man die abenteuerlustigen jungen Franzosen nach ihren Eindrücken vom Leben in den deutschen Familien und dem Schulleben, sind sie sich einig darüber, dass ihre Gastgeber sie mit großer Herzlichkeit, aber auch mit einer erfrischenden Selbstverständlichkeit aufgenommen haben, sodass sie sich schnell heimisch fühlten. Faszinierend sind für sie allerdings doch auch so einige Dinge wie der Gebrauch des Fahrrads als Verkehrsmittel und nicht als Sportgerät, das ständige Snacken der Deutschen im Gegensatz zu einigen wenigen ritualisierten Mahlzeiten in Frankreich, der Verzehr von Mineralwasser mit Kohlensäure. Unserem Schulleben konnten die von Deutschland begeisterten jungen Franzosen durchaus positive Seiten abgewinnen. Sie erlebten unseren Schulalltag als relativ entspannte Veranstaltung, zeigten sich beeindruckt von dem lockeren Lehrer-Schüler-Verhältnis und wunderten sich darüber, dass im Englisch- und Französischunterricht tatsächlich in der Fremdsprache kommuniziert wurde. Bei einem Besuch des Grundkurses Französisch in der Oberstufe tauschte man sich aus über die Gründe für die Wahl der jeweiligen Fremdsprache. Während die deutschen Schüler hauptsächlich von der Schönheit der französischen Sprache und dem Fortsetzen einer Familientradition sprachen, nannten die fünf französischen Gäste ganz andere Gründe für die Wahl der deutschen Sprache als erste oder zweite Fremdsprache. Nämlich die kleinen Lerngruppen, den Wunsch eine andere Sprache zu erlernen als das Gros der französischen Schüler, die Neugier auf eine Sprache, eine Kultur und ein Land, die bis heute teilweise mit negativen Vorurteilen behaftet sind, und das Wissen über die extrem guten Arbeitsmöglichkeiten, die sich bei der Beherrschung der beiden Sprachen, die diesseits und jenseits des Rheins gesprochen werden, eröffnen.

So kehren die fünf, die sich nach dem Abitur durchaus ein Auslandssemester, ein Praktikum oder, wie im Falle von Teddy Chevrain (16), der ein Geschichts- und Französischstudium anstrebt und für den Deutschland „seine ganz besondere Motivation und Droge ist“, eine Berufstätigkeit in Deutschland an. Die fünf Leester Gastgeberinnen werden in den Herbstferien ebenfalls in Eigenregie den Rückbesuch antreten. Auch bei ihnen diagnostizieren wir Lehrkräfte beglückt eine gewisse Infektion mit dem Frankreichvirus, der durch mehrfache oder wiederholte Teilnahme an Schüleraustauschen bzw. dem Drei-Nationen-Camp mit deutscher, französischer und lettischer Beteiligung sehr nachhaltig wirkt.

Antje Mühlenstedt-Meko
Fachleitung Fremdsprachen